Blog - Hinter den Kulissen
DAS WUNDER DER VERWANDLUNG
Spannende Masken und Kostüme aus Neopren - Birte Wallbaum kreiert Kostüme für »Turandot«
Birte Wallbaum hat am TN LOS! schon etlichen Produktionen mit ihrer Ausstattung, ihren phantasievollen und zumeist opulenten Kostümen verzaubernden Charme beschert. Für unsere große Opernproduktion bei den Thüringer Schlossfestspielen, für »Turandot«, hat Birte Wallbaum die Kostüme kreiert und legt in der Endphase der Entstehung bei Details auch selbst mit Hand an. Für das Gespräch holte ich die Kostümbildnerin aus einem Raum, in dem sie gerade mit der Sprühdose agierte.
Was hattest du denn mit der Sprühdose vor?
Das war ein »Sprühtest« für die Kopfbedeckung, den Unterbau der Krone der Turandot. Ich wollte schauen, ob der Stoff die Farbe gut annimmt und die Farbe auch nicht klebt. Turandot hat einen riesigen Kopfschmuck und zum Kleid große goldene schuppige Schulterstücke.
Ihr müsst sicher darauf achten, dass die Krone beim Agieren und Singen nicht ins Rutschen kommt?
Klar, es gibt immer Kostümteile, die besondere Anforderungen erfüllen müssen. Manche sollen zum Beispiel auf der Bühne schnell und leicht abgenommen, geschlossen oder geöffnet werden. Es ist aber auch erforderlich, dass sie natürlich beim Agieren halten. Im Innenhof vom Schloss haben wir zudem eine Windlast und auch mit Regen muss man leider rechnen. Die Krone haben wir noch mit ein paar Löchern versehen, damit der Wind sie nicht vom Kopf der Sängerin reißen kann.
Turandot ließ ihre Freier köpfen, sie wirkt grausam und wird als »eisumgürtete Prinzessin« bezeichnet. Wie spiegelt sich das im Kostüm?
Turandots erster imposanter Auftritt ist in großer Robe – in Blau. Damit steht sie solitär im weiß-rot-gold gehaltenem Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning. Das Bühnenbild spiegelt die alte, vergangene Dynastie. Turandots Vater, der Kaiser, ist symbolisch als Drachen immer noch präsent. Das Kleid zeigt mit dem Blau einen neuen Anfang im Machtverhältnis und klar, die Farbe wirkt kühl gemäß dem eisigen Wesen der Prinzessin. Unter dem Tüll des Kleides schimmern golden Köpfe hervor. Die stehen für die bereits enthaupteten Freier und präsentieren zudem das Machtpotential der Turandot.
Wie wurden diese Gesichtsdummies hergestellt?
Es gab in unseren Werkstätten von einigen Herren noch Gipskopfabdrücke. Die verschiedenen Gesichter haben wir dann mit Teichfolie tiefgezogen, so wurde eine Hohlform erzeugt. Teichfolie deshalb, weil man diese im Gegensatz zu starren Masken auch gut vernähen kann. Die Gesichter müssen ja irgendwie auf dem Stoff angebracht werden.
Frau Nam, die Sängerin der Turandot, hat noch ein weiteres Kleid …
Durch Calàf gibt Turandot für kurze Zeit ihren Status auf. Er nimmt ihr den Panzer ab und es erscheint ein zartes, sehr feines Kleid. Calàf entreißt Turandot in dem Moment die Macht und Turandot bekommt fast menschliche Züge. Aber das Eis ist nicht ganz geschmolzen, das Kleid glitzert wie ein Eiskristall.
Und Calàf?
Caláf, oder besser der »unbekannte Prinz«, wirkt recht martialisch. Etwas Gold lässt im Kostüm noch den Königssohn erahnen. Calàf gehört zu den verfeindeten Tartaren. Ihm sowie dem entthronten Tartarenkönig Timur und der Sklavin Liù habe ich die Farbe Grün im Kostüm zugewiesen.
Um noch einmal auf die Masken zurückzukommen, ihr habt sie auch für den Chor eingesetzt.
Ja, der gesamte Chor trägt Masken. Der Chor bildet eine große anonyme Masse. Es geht um die Gruppe und nicht um Individualcharaktere. Die Damen und Herren haben eher skulpturale Kostüme mit einer Patina und wirken wie versteinert. Wir haben die Kostüme aus Neopren gefertigt, das steht ganz wunderbar. Auch der Unterrock der Turandot ist daraus – der hat immerhin einen Durchmesser von 1,20 Meter und muss entsprechend Stand haben. Das ist bei Hitze etwas schweißtreibend, aber wenn es regnet, was wir nicht hoffen, wäre Neopren wieder von Vorteil. Irgendwelche Kompromisse gibt es immer.
Der Einsatz von Masken ist bei Sängern nicht ganz einfach …
Ja, da habe ich schon einiges an Erfahrung sammeln dürfen. Klar, die Ohren sind frei, der Mund auch und jedes Teil wird individuell angepasst. Jede Sängerin und jeder Sänger hat im Vorfeld die Maske probiert und kann sagen, wenn es drückt, ziept, noch ein Polster benötigt wird oder eine Augenöffnung größer ausgeschnitten werden muss. Die Statistinnen vom SCC Grün Weiß Sondershausen, tragen auch Masken, die sind komplett goldfarben. Die Damen sind das Frauengeschwader der Prinzessin und wirken mit den Masken und den Hutstumpen mit Pferdeschwänzen sehr amazonenhaft. Herausforderung – sie müssen mit dem Ganzen auch tanzen können.
Wer hat alles an den Masken gearbeitet?
Ich habe den Grund bestellt, dann hatten wir tolle FSJler, die die Masken bespachtelt haben, diese wurden im Malsaal bemalt und schließlich habe ich alles angepasst.
Bei welchem Kostüm hast du deiner Fantasie besonders freien Lauf lassen können?
Beim Turandot-Kostüm. Aber auch die Statistinnen als Nonnen haben ganz tolle weiße Kleider mit sehr geometrischen Formen, fast wie bei Star-Wars. Die eckigen Rockteile und spitzen Ärmeln finde ich echt spannend. Und die Kostüme der Sänger von Ping, Pang, Pong mit ihren »Gong-Hosen« wie Regisseur Benjamin Prins sie liebevoll nennt, mag ich ebenfalls sehr. Sie haben riesige Hosenbeine, die abstehen und nicht zusammenklappen dürfen. Allein dadurch, dass die Schneiderinnen das Neopren noch einmal abgesteppt haben, stehen die Hosenbeine – das ist total toll. Da ist kein hinderndes Stäbchen und nichts sonst Störendes eingearbeitet. Die Männer kommen gut damit zurecht. Sie können sich bewegen wie mit einer normalen Hose. Überhaupt mag ich die drei Typen, diese Minister aus der vergangenen Dynastie, sie bringen das humoristische Moment ein.
Wie lange arbeitet die Gewandmeisterei an den Kostümen?
Schon seit März, auch nebenher neben den anderen Produktionen. Es sind etwa 100 Kostüme. Das ist nicht ganz so viel wie im vergangenen Jahr, aber so konnten wir konstruktionstechnisch aufwendiger werden. Die Realisierung mancher Kostüme war schon sehr herausfordernd. Aber unsere fantastische Schneiderei hat das mit viel Liebe und Herzblut gemeistert.
Renate Liedtke