Blog - Hinter den Kulissen
KLAPPENHORN UND SERPENT
Auf den musikalischen Spuren der Sondershäuser Hofkapelle
Wenn das Loh-Orchester ein Konzert plant, ist es eine meiner Aufgaben als Konzertdramaturgin, das Notenmaterial dafür zu beschaffen. Dies geht normalerweise auf drei verschiedenen Wegen: der kürzeste führt ins eigene Notenarchiv, ich kann die Noten aber auch kaufen oder muss sie beim Verlag leihen.
Woher bekomme ich aber unveröffentlichte Werke aus der Geschichte des Orchesters, die zu alt sind, um noch Bestandteil des Archivs im Haus der Kunst zu sein?
Einige der historischen Archivalien der Hofkapelle lagern im Schlossmuseum Sondershausen, zu einem großen Teil befinden sie sich aber im Staatsarchiv Rudolstadt, einer Abteilung des Landesarchivs Thüringen. Und genau dort hielt ich mich zwei Tage auf, um Musikalien zu sondieren, die vom Hautboistencorps der Hofkapelle, also dem von Simon Hermstedt 1801 gegründeten und zunächst auch geleiteten Bläserensemble der Hofkapelle gespielt worden sind.
Die Noten lagern für den Besucher unzugänglich im Archiv und müssen von Mitarbeitenden »ausgehoben«, also herbeigeschafft werden, Aushebezeiten sind zweimal täglich. Es braucht also eine gewisse Planung und auch die freundliche Hilfe der Mitarbeitenden, allen voran Frau Wedermann, bei der ich mich für die nette und kompetente Betreuung nur herzlich bedanken kann.
Ich bekomme also Mappen, Kartons u.ä. an den Platz im Lesesaal geliefert und die Reise kann beginnen. Ich öffne die Archivalien und schaue mir die Noten an: Meist sind es Sätze einzelner Stimmen, also Noten für einzelne Instrumente. Eine Partitur, in der alle Instrumente untereinander verzeichnet sind, fehlt fast immer. Manche Stimmensätze sind wenig benutzt, andere tragen deutliche Spuren: Eintragungen, Kritzeleien, abgerissene Ecken, Kaffee(?)-flecken, Tintenfraß …
Heutzutage darf man fotografieren, was ich ausgiebig tue, um so viel wie möglich zu dokumentieren. Interessant sind die Besetzungen, zum Teil 4-6 Klarinetten, Hermstedt spielte selbst Klarinette, diese Instrumente »ersetzten« im Prinzip die Streicher. Aber auch Instrumente, die so heute nicht mehr im Orchester gespielt werden, tauchen auf: Klappenhorn, Basshorn, Bombardone oder Serpent … Mich interessieren u.a. Stücke der damaligen Hofkapellmeister, Stadtorganisten oder weiteren Musiker aus Sondershausen, wie Carl Bendleb, Wilhelm Kirchhoff, Heinrich Frankenberger u.a. Neben Originalkompositionen machen Arrangements von berühmten (Opern-)melodien für Bläsermusik einen großen Teil des Bestands aus, die das Publikum auch außerhalb der Opernhäuser erfreuten, es gab ja keine Radios, CDs, kein Youtube oder Spotify …
Nach zwei Tagen Recherche fahre ich mit über 1000 Fotos nach Sondershausen zurück.
Sie fragen sich nun: Warum die Suche, wozu wird all das Material gebraucht? So viel sei verraten: wir arbeiten an einem geplanten CD-Projekt …
Lassen Sie sich überraschen und bleiben Sie gespannt!
Katrin Stöck