Blog - Im Gespräch mit...

»DIE LUSTIGE WITWE« – MIT MENSCHEN VON FLEISCH UND BLUT!

Im Gespräch mit Regisseurin Saskia Kuhlmann

Franz Lehárs »Die Lustige Witwe« ist »die« Operette schlechthin. Regisseurin Saskia Kuhlmann inszeniert Lehárs Meisterwerk am TN LOS!. Nach ersten Regiearbeiten am Saarländischen Staatstheater war und ist die Regisseurin mit zahlreichen Inszenierungen freischaffend an internationalen Theatern und in Deutschland unterwegs. Ihre Inszenierung von Alban Bergs Oper »Lulu« wurde 2011 vom Jahrbuch der Fachzeitschrift Opernwelt als beste Produktion der Spielzeit benannt.

Frau Kuhlmann, die Bandbreite der Werke, die Sie in Szene gesetzt haben, reicht von Richard Wagners »Der Fliegende Holländer« bis hin zu Schostakowitschs »Lady Macbeth von Mzensk«, von der Barock-Operüber die Mozart- und Janacék-Opern, Debussys »Pelléas et Mélisande« bis zu Hans Werner Henzes »Pollicino« und Alban Bergs »Lulu«. Dazwischen – immer wieder Operette, sei es »Gräfin Mariza«, »Die Herzogin von Gerolstein« oder »Das Land des Lächelns«, um nur einige zu nennen. Ist die Operette zu Ihrem Lieblingskind avanciert?

Nein, das kann man so nicht sagen. Es ist ein schwieriges, ein unbändiges Kind, die Operette, und man muss sie oft noch ein wenig umerziehen, damit sie nicht so wahnsinnig altertümlich über die Rampe kommt. Aber das Schöne an Operette ist, dass sie einfach Spaß macht – es macht Spaß, sie zu inszenieren und Spaß, zu probieren. Wir sind im Ensemble alle bestens gelaunt. Schon deswegen mache ich Operette sehr gern.

Die Erwartungshaltungen an eine so berühmte Operette sind groß. Der ein oder andere erwartet einen Danilo wie Johannes Heestsers im Frack – smart und charmesprühend, wie gehen Sie mit solchen Erwartungshaltungen um?

Eigentlich gar nicht. Ehrlich gesagt, Johannes Heesters wäre mir schon vor fünfzig Jahren zu alt gewesen für diesen charmanten Looser. Wer findet einen Mann um die Fünfzig, der in seinem Leben noch nichts auf die Reihe gebracht hat, sexy? Und auch eine »Lustige Witwe«, die zuerst wie eine Diva auftritt und dann total zickig zu allen ist, interessiert mich nicht. Mich interessieren auf der Bühne wie im Leben Menschen mit möglichst vielen Facetten, eben eine Hanna Glawari, die ihr Leben selbstbewusst in die eigene Hand nimmt und trotzdem empfindsam und verletzlich ist.

Was läuft da beziehungstechnisch zwischen der Witwe Hanna Glawari und dem Lebemann Danilo?

Hanna und Danilo sind gewissermaßen heimatlos, beide sind geflüchtet, Danilo ist wahrscheinlich ein bisschen vor sich selbst, nachdem seine Liebe, eben Hanna, in der Heimat einen anderen Mann geheiratet hat. Und Hanna sucht ihre große Liebe. Dem voraus ging, dass die beiden ein Paar waren, dass aber Danilo Hanna wegen des Standesunterschiedes nicht heiraten wollte oder konnte – so meint er zumindest. Nun hat sich das Blatt gewendet. Hanna ist sehr früh Witwe geworden, hat sehr viel Geld geerbt und nun würde der Standesunterschied gar keine Rolle mehr spielen.

Apropos – Geld regiert die Welt, auch heute noch. Ein Symptom jener Epoche war das Wahren des schönen Scheins – und sei es auf Pump. Spielt dies in ihrer Konzeption eine Rolle?

Das Geld spielt hier insofern eine Rolle, als nun Danilo Hanna gerade wegen ihrer Erbschaft keineswegs heiraten möchte, sondern erst, als er erfährt, dass sie die Millionen im Falle einer Wiederverheiratung gar nicht bekommt. Danilo sagt in diesem Momant »ja« zu Hanna, erfährt aber dann, dass das Geld an den neuen Ehemann geht. Das ist eigentlich auch furchtbar. Aber ich finde es letztlich ganz interessant, weil dadurch über dieser Ehe ein gewisses Damoklesschwert hängt. Wird Danilo es schaffen, nicht gleich wieder ins nächste Spielcasino zu gehen, und die ganzen Millionen aufs Spiel zu setzen? Das finde ich interessanter als ein happy Happy End. Und, was den »schönen Schein« betrifft, so gibt es den in jeder Epoche. Solche Liebesgeschichten, solche »amours fous« waren und sind doch das Salz in der Suppe jeder todlangweiligen, hochanständigen, bigotten Gesellschaft.

Das macht ja auch die Qualität von »Die Lustige Witwe aus«, dass sie eben nicht so lebensfern und dramaturgisch konstruiert ist.

Genau. Es sind Menschen mit ihren Schwächen, die wir kennenlernen dürfen, keine Prinzessinnen oder Superhelden. Das macht mit den großen Erfolg dieses Stückes aus. Und natürlich die großartige Musik.

Sie haben eine eigene Dialogfassung gemacht …

Ich beziehe mich schon noch auf die ursprünglichen Texte, die zehnmal so lang und total verschwurbelt sind, habe das Ganze aber etwas eingedampft, Umstellungen innerhalb des Stückes vorgenommen und sprechbare Texte geschrieben.

Bei Ihnen wird die Figur des Njegus von einer Frau gespielt, hat das konzeptionelle Gründe?

Diese Njegus-Figur ist etwas schwierig, sie wird oft von einem älteren Schauspieler gespielt. Dann habe ich diese wunderbare und vielseitige Adriana Mortelliti kennengelernt, die in unserer Produktion sowohl Choreografin ist, als auch die Kostüme entworfen hat. Im Findungsprozess, der ja sehr schnell gehen musste, dachte ich an den Film »The Grand Budapest Hotel«, in dem ein Hotelpage vorkommt, der durch den ganzen Film leitet, und hatte Adriana als Njegus vor Augen. Ich habe sie gefragt, ob sie die Rolle übernehmen würde.

Welche Lösung für das Bühnenbild haben Sie gerade in Hinblick auf den Umzug des Theaters ins Haus der Kunst Sondershausen gefunden?

Es ist nicht ganz so einfach, aber Birte Wallbaum hat einen Raum gestaltet, der wunderbar zu variieren ist. Es werden drei Bilder zu sehen sein: Die pontevedrinische Botschaft, ein Garten und das Maxim. Wir versuchen, mit den Mitteln, die wir vorfinden, so vielfältige Bilder wie nur möglich zu schaffen. Zudem nutzen wir auch die Kostüme, um immer wieder neue Situationen zu kreieren. Es wird alles andere als provisorisch aussehen.

Die Kostüme sind in den zwanziger Jahren angesiedelt?

Ja, ich bemühe mich, die zwanziger Jahre zu bedienen, weil diese Zeit auch viel mit unserer Zeit und der im Stück zu tun hat. »Die Lustige Witwe« wurde 1905 in der wilhelminischen Epoche uraufgeführt, wo das Frauenbild ein völlig anderes war. Diese Operette war eigentlich ihrer Zeit weit voraus. Ich denke bei dem Stück immer an »Babylon Berlin«, das Stück gehört eigentlich in die wilden Zwanziger.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und viel Erfolg beim Publikum.

Danke! Ich freue mich auf das Publikum. Wir haben ein wunderbares Ensemble, und mit Julian Gaudiamo (Musikalische Leitung), Adriana Mortelliti und Birte Wallbaum im Team macht die Arbeit unglaublich viel Spaß. Ich denke, das wird man spüren.

Renate Liedtke

 

Zurück

Das könnte Sie auch interessieren