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FRECH, WITZIG UND EMPATHIE FÖRDERND

»DIE ZWEITE PRINZESSIN« – IM GESPRÄCH MIT JÖRG NEUBAUER

Es waren einmal zwei Prinzessinnen, die erste und die zweite. Die erste Prinzessin hat Geburtstag. Sie darf nun länger fernsehen, Ponys reiten und mit ins Schwimmbad. Sie findet es prima, aber der jüngeren Prinzessin gefällt es überhaupt nicht, die zweite zu sein. Das muss sich ändern, sagt sie zu sich und ist in der Wahl ihrer Mittel nicht gerade zimperlich. Was sich die frustrierte Prinzessin an kleinen Gemeinheiten alles einfallen lässt, wie sie dabei schwer in die Bredouille kommt und wie sich am Ende doch noch eine Lösung findet, davon erzählt dieses Theaterstück.

Auch die Autorin des Stücks, Getrud Pigor, kann ein Lied von der Dynamik in Geschwisterbeziehungen singen. Sie war ein sogenanntes »Sandwichkind«, neben ihrem älteren Bruder Thomas hat sie noch eine jüngere Schwester und kennt so die Position sowohl der »Großen« als auch der »Kleinen«. Ihr hat ihr Bruder Spinnen ins Bett gelegt, wenn sich die Geschwister einmal nicht vertragen haben.

Jörg Neubauer, der Regisseur der Produktion des Jungen Theaters, ist der ältere von zwei Brüdern. Er erinnert sich allerdings aus einer anderen Perspektive, nämlich, dass der jüngere Bruder alles früher durfte als er. Er musste z.B. lange warten, bevor er mit 14 Jahren sein erstes Stereoradio erhielt und der Kleine, bekam es, zack, zwei Jahre früher. Jörg Neubauer hat sich für »Die Zweite Prinzessin« im Spielplan entschieden, weil er »die Thematik interessant« fand. Es ist eben nicht »nur« eine Geschichte, die zudem gut geschrieben ist, sondern sie behandelt auch eine Problematik, die ihr noch einen Mehrwert darüber hinaus gibt. Das war, wie Jörg Neubauer findet, auch schon bei »Johnny Hübner greift ein« der Fall, einer Geschichte, die Lust macht auf das Lesen von Büchern. Im Februar 2023 hat er dann ein Stück über Demenz – »Sonnenstrahl im Kopfsalat« – mit auf den Spielplan gesetzt, weil es sowohl als Stück gut geschrieben ist, als auch ein wichtiges Thema behandelt.

Das Stück »Die Zweite Prinzessin« hat für dich gerade diese besondere Qualität?

Ja, es ist eine charmante Geschichte von einem trotzigen Mädchen, welches das Herz am rechten Fleck hat, und das seine ältere Schwester durchaus lieb hat. Sie empfindet es aber als eine große Ungerechtigkeit, dass die Ältere scheinbar immer bevorzugt wird. Mir gefällt an dem Stück, dass zum einen gespiegelt wird, was die Sichtweise der jüngeren Prinzessin ist, wir aber letztlich auch ein stückweit eine Ahnung davon bekommen, wie die Situation tatsächlich ist. Wir sehen zuerst die Eltern durch die gefärbte Brille der kleinen aufmüpfigen Prinzessin und haben am Ende einen neutraleren Blick auf die Eltern.

Du arbeitest als Regisseur mit deiner Kollegin Daniela Bethge zusammen. Eine gute Konstellation?

Ja, wir sind ein richtig gutes Team. Beim Lesen des Stückes hatte ich sofort an Daniela gedacht. Ich fand, dass es eine schöne Rolle für sie ist und sie Spaß daran haben wird und konnte mir das Stück mit ihr sehr gut vorstellen. Es war mit ein Grund, warum »Die Zweite Prinzessin« auf den Spielplan kam.

Gibt es in dem Stück auch eine Botschaft für die Eltern, die mit ihren Kindern in die Vorstellung gehen?

Ich würde sie gern sensibilisieren, das Thema ernst zu nehmen und gegebenenfalls in der Familie nach einer Lösung zu suchen, wichtig ist, dass richtig kommuniziert wird. Bei den Kindern hoffe ich auf Identifizierung mit der Figur und der Erkenntnis, dass das Sich-zurückgesetzt-fühlen in beide Richtungen funktioniert. Die zweite Prinzessin sieht nur ihre Seite der Geschichte, aber wie sieht es denn von der anderen Seite aus? Sie ist ganz erstaunt, dass die erste Prinzessin auch mal ganz gern Zweite gewesen wäre. Das Stück lädt ein, einmal einen Perspektivwechsel vorzunehmen, das Ganze aus Sicht der anderen Seite zu betrachten, einfach empathisch zu sein. Für Kinder und Erwachsene erhoffe ich, dass der Besuch zu einem schönes Theatererlebnis wir.

Daniela Bethge schlüpft in viele verschiedene Rollen, ist das vom Stück so vorgegeben?

Es ist ein Stück für eine Spielerin und eine Stimme, wird aber häufig mit zwei Personen realisiert, wobei die »Stimme« mit einer körperlich anwesenden Person auf der Bühne gemacht wird, die dann auch die weiteren Rollen spielen kann. Ich finde es spannender, wenn die zweite Prinzessin alle weiteren Rollen übernimmt, denn das Gespielte findet in ihrer Fantasie statt. So wie Kinder es mit einem Wimpernschlag schaffen, von einer Figur in eine andere, von einer Haltung in eine andere zu wechseln, finde ich es spannender und herausfordernder, dies so auch auf der Bühne zu sehen.

Auch der Wald, in dem die zweite Prinzessin auf den Wolf trifft, entsteht auf sehr fantasievolle Art und Weise…

Ja, aus dem Riesenstapel von Geburtstagsgeschenken, den die erste Prinzessin bekommen hat, wird in Null Komma Nix ein tiefer verwunschener Wald. Bei dem Spielerischen, was Kinder haben, entstehen in ihrer Fantasie die Dinge vor ihren Augen. Da ist dann plötzlich ein tiefer Abgrund zwischen Teppich und Flur, in dem Lava brodelt. Für sie wird es echt und realistisch.

Vom Stück ist Musik empfohlen, du hast andere für deine Produktion ausgesucht?

Wir haben Lieder aus existierenden Songs zusammengestellt und die im Stück vorgegebenen Texte darüber gelegt. Den Kindern sind die Songs vielleicht nicht geläufig, aber die Erwachsenen haben ihren Spaß beim Wiedererkennen. So haben auch die Erwachsenen, die Eltern und Großeltern, die mitkommen, Freude daran. Ich fände es toll, wenn wir erreichen, dass wir Theater für junges Publikum machen, das allen Altersgruppen Freude bereitet.

Können die Kinder bei der Aufführung selbst mit aktiv werden?

Wir haben Fähnchen, welche die Kinder am Platz vorfinden werden, mit denen sie der Prinzessin am Balkon zuwinken können, und die sie dann auch behalten dürfen. Und die Kids sind gefordert, wenn die ersten Prinzessin selbstbewusst verlangt, dass man ihr ein Geburtstagsständchen bringt.

Die zweite Prinzessin ist ja so gar nicht prinzessinnenhaft, sondern eher ein kleiner Rotzlöffel, trotzdem mag man sie …

Genau. Man versteht es einfach. Ungeduld kennen wir doch alle. Da heißt es, sie muss nicht mehr lang warten, »nur« drei Jahre. Meine Güte! Drei Jahre! Eine Ewigkeit. Das ist selbst für uns lang. Diesen Aspekt des nicht Warten-Wollens und -Könnens, des nicht Gesehen- und sich zurückgesetzt Fühlens, das kennen wir ja alle. Ich glaube, deswegen kann man die zweite Prinzessin so gut verstehen. Sie tut die Sachen, die wir nicht machen. Sie packt das Ganze bei den Hörnern und legt los. Wenn sie beschließt: »Meine Schwester muss weg, sonst werde ich ja nie erste!« – dann ist das schon sehr drastisch. Dieses überhöhte »Ich lasse sie vom Wolf fressen!«, »Ich verheirate sie mit dem Bären« oder »Ich lasse sie von der Hexe schrumpfen« – das ist einfach Dampf ablassen. Ich hoffe, man spürt, dass sie ihrer Schwester nicht wirklich etwas Böses will, sie will halt nur so unbedingt die Erste sein, die zweite Prinzessin.

Renate Liedtke

Fotos: Perückenprobe in der Maskenabteilung

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