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VERZAUBERNDE KLÄNGE

Mit seinen poetischen Erzähltexten, die mit den Klängen einer Oud, auch Ud genannt, begleitet werden, hat Marian Kalus der halbszenischen Umsetzung von Bizets »Die Perlenfischer« eine besondere Farbe hinzugefügt. Der Ursprung der Oud ist nicht abschließend geklärt, aber schon im Mittelalter fand sie über zurückkehrende Kreuzfahrer ihren Weg nach Europa. Troubadours und Trouvères begleiteten ihre Gesänge mit dem Instrument. So lag der Gedanke nahe, die Erzähltexte auf einer Oud begleiten zu lassen. Mit Wassim Mukdad hat Marian Kalus einen der deutschlandweit besten Spieler dieses besonderen Lauteninstruments gewinnen können.

Wassim, Du hast mir gerade erzählt, dass Du drei Ouds zu Hause hast und dass diese eine unterschiedliche Stimmung haben …

Ja, eine Oud ist vor allem für die Araber ein Nationalinstrument, aber auch die Türken, Perser und die Griechen – mehrere Völker spielen dieses Instrument. Es gibt drei Stimmungssysteme, die alle auf der Quarte basieren. Es gibt die ägyptische – hier sind die Saiten vergleichsweise tief eingestimmt, die irakische ist die höchste Stimmung, und dazwischen die türkische Stimmung. Die ägyptische und irakische Stimmung unterscheiden sich durch eine Saite. Die irakische Stimmung ist mit einem hohen f und die ägyptische mit einem tiefen C ausgestattet, die anderen fünf Saiten sind gleich. Ich habe bei meinem Instrument beide Systeme zusammengeführt, mein Instrument hat sieben Saiten.

Hast Du das Instrument extra für Dich bauen lassen?

Ja, mein Lehrer in Syrien baut Instrumente. Er hat die Oud nach mehreren Gesprächen nach den gemeinsamen Vorstellungen gebaut.

Warum hast Du gerade dieses Stimmungssystem für die Produktion »Die Perlenfischer« gewählt?

Bei diesem Stimmungssystem muss man nicht transponieren und es passt gut dazu. Diese Oud ist zudem das Hauptinstrument, welches ich spiele. Das türkische System spiele ich auch, aber eher für Stücke, die mehr gedämpft wirken sollen. Sind mehr Kreuze als Vorzeichen in der Musik vorgegeben – spiele ich das türkische System, für mehr b’s wähle ich das arabische System.

 

Du begleitest die Erzähltexte von Marian Kalus, improvisierst Du dafür?

Marian und ich haben elf Stellen, die wir gemeinsam gestalten. Wir haben Motive aus Bizets »Die Perlenfischer« genommen und leicht bearbeitet, damit die Oud die Erzählung begleiten kann. Die musikalische Grundidee ist so bei jeder Vorstellung gleich, die Interpretation kann sich aber manchmal durch andere Ausschmückungen ein wenig unterscheiden.

Wie habt ihr - Marian Kalus und Du - für diese Produktion zusammen gefunden?

Marian kennt das Instrument und wollte unbedingt einen Oud-Spieler für seine Konzeption. Er hat dann über die sozialen Medien Kontakt aufgenommen, über Facebook. Wir haben uns mehrfach geschrieben und schließlich in Berlin getroffen. Dann probten wir dreimal zusammen und jetzt bin ich hier, seit zwei Wochen.

Du hast bereits an verschiedenen anderen Theatern in Produktionen mitgewirkt …

Ich habe am Maxim-Gorki Theater in Berlin bei »Die Nacht in Lissabon« gespielt, auch am Schauspielhaus in Hamburg und arbeitete an der Neuköllner Oper in Berlin. Auch an der Komischen Oper in Berlin war ich. Hier habe ich bei der Kinderoper »Die Bremer Stadtmusikanten« von dem türkischen Komponisten Attila Kadri Şendil mitgewirkt. Es macht Spaß, in weiteren Stücken an anderen Theatern zu spielen. Jetzt ist es das erste Mal, dass ich an einem Theater und in einer Oper in Thüringen bin. Es ist mir eine Freude und eine Ehre.

Du hast auch Medizin studiert, trieb es Dich dann doch mehr zur Musik?

Ich hatte den Luxus der Wahl, weil ich beides – Musik und Medizin – gleichzeitig in Damaskus studiert habe. 2008 habe ich mich entschieden, Vollzeitmusiker zu werden. Ich musste nur als Mediziner freiwillig während des Krieges arbeiten. Aber als ich 2014 Syrien verließ, gab es hauptberuflich nur noch die Musik.

2014 hast Du Syrien verlassen? Ich las in verschiedenen Interviews, dass Du 2016 nach Deutschland gekommen bist.

Das ist beides richtig. Zwischen 2014 und 2016 war ich in der Türkei, in Griechenland und Italien. Dort habe ich gejobbt und auch mehrere Bands gegründet und Konzerte gegeben – als Solist, im Trio und mit einer zwölfköpfigen Band. Sie hieß »Imagination«. Eine andere achtköpfige Band hieß in deutscher Sprache »Orientalische Liebe«. Leider wurden alle diese Projekte auf Eis gelegt, als ich nach Deutschland kam. Jetzt kann ich nicht so einfach in die Türkei und zurück fahren. Vielleicht bald, wenn ich meinen deutschen Pass bekommen habe.

 

 

Du lebst jetzt in Berlin. Hast Du dort bereits musikalisch Fuß gefasst?

Ja, ich spiele in sechs verschiedenen Projekten: in einem Duo, zwei Trios, zwei Quartetten und einem Sextett. Im Duo spiele ich mit einer Musikerin aus China, in dem einen Trio spielen wir orientalische Jazz-Interpretationen von finnischen Liedern, in dem anderen Trio musizieren wir zusammen mit den Nachtigallen von Berlin. Wir haben einen Film »Nightingales in Berlin« zusammen mit dem Musiker und Philosoph David Rothenberg gedreht. (Der Film erzählt die Geschichte von David Rothenbergs Bemühungen, eine internationale Gruppe von Musikern zusammen zu bringen, um die Artengrenze zu überschreiten und live mit Nachtigallen zu musizieren.) Meine musikalische Haupttätigkeit in Deutschland ist mit dem Ajam-Quartett: Geige, Kontrabass, Percussion und Oud. Das andere Quartett ist mit einer palästinensischen Sängerin. Das sechste Projekt, in dem ich mitwirke, ist das Atlas-Ensemble, welches der nordjütländische Kenneth Dahl Knudsen gründete.

Du hast schon sehr früh mit dem Musizieren begonnen, mit Klavier – und auch mit der Oud?

Ja, ich wurde ich Deutschland, in Leipzig, geboren und dann im Alter von vier Jahren nach Syrien mitgenommen. Mein Arabisch war nicht sehr gut. Dann hatte meine Mutter die Idee, mit mir im frühen Alter Musik zu spielen, und hat mit dem Lesen und Schreiben begonnen. Mit zehn Jahren habe ich dann bei einem Privatlehrer mit dem Oud-Spiel angefangen und dies nach dem Abitur in der Hochschule professionalisiert.

Ich habe gelesen, dass Du später auch noch Musikwissenschaften studiert hast …

Richtig, von 2018 bis 2021 studierte ich an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ich bin schließlich jetzt in einem Land mit einer sehr reichen Kultur und ich wollte diese neue Heimat auch akademisch kennenlernen.

Du hattest in dem Leben schon einige schlimme Erlebnisse, wurdest inhaftiert, gekidnappt und gefoltert. Was hat das mit Deiner Musik gemacht?

Musik ist ein Spiegel der Seele. Meine persönliche Geschichte hat viele fröhliche Momente aber auch manche nicht so ganz positive Ereignisse wie Krieg, Verfolgung, Folter, Hunger. Es gab mehrere Ereignisse, die eher schmerzhaft waren. Melancholie ist eine ästhetische Balance in meiner Musik. Ich hatte das Glück, dass ich Musiker bin und diese Erinnerungen auf eine künstlerische Art und Weise aufarbeiten kann. Musik hilft, in mir selbst in die Tiefe zu gehen – das natürlich hauptsächlich in meinen Solo-Projekten.

Herzlichen Dank für das Gespräch und gutes Gelingen und Freude bei »Die Perlenfischer«.

Renate Liedtke

 

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