Scherben bringen Glück, so sagt es zumindest das Sprichwort. Anders in dem berühmten Lustspiel von Heinrich von Kleist, in dem sich aus einer scheinbaren Bagatelle ein zünftiger Skandal entwickelt: Frau Marthe Rull tritt mit einem lädierten Stück kostbaren Steinguts vor den Dorfrichter Adam und hat auch bereits einen konkreten Verdacht, wer den wertvollen Krug auf dem Gewissen hat: Ruprecht, der Verlobte ihrer Tochter Eve. Dieser soll ihn während eines heimlichen Besuchs bei Eve zerschlagen haben. Ruprecht wiederum behauptet, in der besagten Nacht einen anderen Mann bei ihr überrascht zu haben, der auf seiner Flucht vor ihm den Krug zerstört habe. Jeder der weiteren Vorgeladenen beharrt vor Gericht auf seiner eigenen Wahrheit. Schließlich gerät der eigentliche Hüter des Gesetzes, Richter Adam, selber ins Visier der Ermittlungen …
In fast obsessiver Weise stellte Heinrich von Kleist in seinen Dramen und Erzählungen Ordnungen und Regeln seiner Zeit in Frage. So steht auch im »Zerbrochnen Krug« am Ende fast alles auf dem Prüfstand: Liebe, Unschuld, Familie, Staatsraison. Bei seiner Uraufführung 1808 im Weimarer Hoftheater in der Regie von Goethe wurde das Lustspiel noch ausgepfiffen. Doch längst gilt es ob seines brillanten Sprachwitzes als eine der bedeutendsten Gerichtskomödien deutscher Sprache, deren Spannbreite an Deutungsmöglichkeiten ins schier Unendliche reicht.
Übrigens: Alltagsgegenstände misst man für gewöhnlich nicht unbedingt eine höhere Bedeutung zu. Ein Krug ist eben ein Behältnis etwa für Flüssigkeit wie Wasser. Kleist wählte einen solchen freilich nicht zufällig als einen Gegenstand, an dem sich ein weit mehr als nur juristischer Streit entfacht. Er steht für verlorene Unschuld, für den »Verlust weiblicher, körperlicher und moralischer Unversehrtheit« (Metzler, Lexikon literarischer Symbole).