Blog - Hinter den Kulissen

HAARIGES UND EIN HAUCH VON PUDER

Die Maske – Verwandlungskünstlerinnen am TN LOS!

Chefmaskenbildnerin Karolin Friedrich, ihre Stellvertreterin Anja Krause-Zuleeg und Jessica Koch arbeiten zusammen in der »Maske« des TN LOS! Die Maske, das ist der Ort im Theater, in dem der Darstellerin oder dem Darsteller geholfen wird, sich optisch in eine andere Figur zu verwandeln. Hier wird schön- und hässlich-, jung- und altgezaubert, je nachdem, was die Rolle auf der Bühne erfordert und was vom Regieteam konzeptionell erdacht wurde. So werden Perücken, Bärte, Glatzen, Haarteile gefertigt und aufgesetzt, Narben und Wunden plastisch gestaltet und noch weitaus mehr.

Für »Doktor Schiwago« zum Beispiel müssen u.a. lange Bärte geknüpft werden. Haar für Haar wird auf feinen Tüll geknüpft, um einen Rauschebart, wie ihn Patrick Imhof als Rechtsanwalt Komarovskij haben soll, entstehen zu lassen. Bärte haben es in sich, denn der Bart sollte beim Singen nicht stören und möglichst die Mundbewegungen mitmachen. In der Nase kitzeln sollte tunlichst auch kein Haar. So muss der Bart entsprechend in Form gebracht und frisiert werden. Dann wird er mit Mastix aufgeklebt.

Auch Perücken werden in der Maske kunstvoll hergestellt. Sie sind echte Hand- und Maßarbeit. Zuerst wird vom Kopf der Darstellerin oder dem Darsteller ein Gipsabdruck hergestellt oder aber die Maße werden vom Kopf auf einen Holzkopf übertragen. Diesem wird eine Montur aus Tüll angepasst, auf welchen schließlich Haar für Haar geknüpft wird. Wenn die Sängerin oder der Sänger sich privat die Haare kurz schneiden lassen, ändern sich freilich auch die Maße für die Perücke, und – man glaubt es kaum – auch durch Ab- oder Zunehmen des Körpergewichts verändert sich die Kopfform. Dann muss ein neuer Holzkopf herhalten. Ob Kunst- oder Echthaar für die Knüpfarbeit genommen wird, ist eine Frage des Anspruchs. Echthaar wirkt natürlicher, es lässt sich auch besser umformen und gestalten. Für eine Perücke benötigt man mindestens 40 Stunden Arbeitszeit, es können auch 60 bis 80 Stunden werden, je nach Anspruch – Wirbel, Scheitel usw. Es werden ca. 100.000 bis 200.000 Haare für eine Damenperücke verarbeitet.

Wenn Narben, Verbrennungen und Wunden sichtbar sein sollen, werden sogenannte Prosthetics angefertigt. Eine profunde Kenntnis der Anatomie ist da sehr hilfreich und gute Materialkunde, um täuschend echtes Aussehen zu erzeugen.

Materialfindung ist überhaupt spannend, meint Karolin Friedrich. Für die Ballettproduktion »Der Feuervogel« musste fast der ganze Rücken des Tänzers geschminkt werden. Die Maskenbildnerinnen haben in der Republik herumtelefoniert, sich beraten und etliche Materialmuster kommen lassen. Dann wurde alles ausprobiert – an sich selbst. Jessica hat acht verschiedene Schminken auf ihrem Rücken aufgetragen und ist joggen gegangen, um zu testen, welche Schminke trotz Schwitzen gut haftet. Schließlich kann man das nicht erst in der Endprobenphase am Tänzer abchecken. Die Sucherei hat sich gelohnt, die Schminke hatte über den Abend gut gehalten.

Manchmal werden ganze Körperteile erstellt. Der Kopf des Jochanaan, welcher Salome in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss auf dem Silbertablett präsentiert wird, sollte schon ganz genau so aussehen wie der des Sängers dieser Partie. Das Konterfei von Herrn Rhim steht noch im Lager. Hierfür wurde ein zweigeteilter Abdruck vom ganzen Kopf gemacht. Für den Gesichtsabdruck wird Alginat verwendet, ein Material, welches auch der Zahnarzt für einen Gebissabdruck nutzt, dann kommen noch Gipsbinden zur Verstärkung auf den Abdruck, schließlich werden beide Hälften zusammengeführt und mit Silikon gefüllt, dann das Ganze täuschend echt angemalt – fertig!

 

Die drei Maskenbildnerinnen finden das Spannende an ihrem Job, dass es immer neue Anforderungen gibt. Zum Beispiel wurden für die Musical-Produktion »Der kleine Horrorladen« große Frisuren-Kaschees angefertigt, die über der Frisur thronen sollten. Tricki war, dass sie, obwohl hochgetürmt, nicht zu schwer sein durften und beim Tanzen halten sollten. Da galt es, sich Gedanken zu machen, wie dies mit welchem Material realisiert werden kann. Das Endergebnis konnte sich dann sehen lassen, sah spektakulär aus und funktioniert zudem ganz großartig im Spiel auf der Bühne.

Schön finden alle drei auch, dass einfach kein Tag wie der andere ist. Sie sind im engen Kontakt mit den Bühnenbildnern und Regisseuren und haben für die Künstlerinnen und Künstler stets ein Ohr, sie sind Seelsorger und bekommen auch mal Frust ab. Gute Kontakt- und Anpassungsfähigkeit und der sensible Umgang mit Menschen sind wichtige Voraussetzungen für diesen Job.

Die Nachfrage nach qualifizierten Maskenbildnerinnen ist derzeit groß und auch die Maske in Nordhausen sucht Verstärkung im Team.

Voraussetzung für die Ergreifung des seit 2002 auch staatlich anerkannten Berufs Maskenbildner ist eine entsprechende Ausbildung. In Deutschland gibt es mehrere Möglichkeiten, sich professionell zu qualifizieren. Verschiedene Privatschulen bieten die Ausbildung in dreijährigen Kursen an. An der Hochschule der Bildenden Künste Dresden wird seit den 60er Jahren das Fachhochschulstudium Maskenbild angeboten und auch an der Hochschule für Musik und Theater München wurde in Kooperation mit der Theaterakademie August Everding der Studiengang Maskenbild entwickelt. Jessica hat sich an der Hochschule in Dresden vier Jahre ausbilden lassen. Sie hatte den Berufswunsch schon im Alter von 12 Jahren, hatte einfach Spaß am Schminken und am Umgang mit Haaren und die Begeisterung für den kreativ-künstlerische Umgang mit verschiedenen Materialien hielt an.

Dieser Job ist einer der kreativsten aber auch einer der härtesten. Hier sind großes Geschick, Sinn für Ästhetik, aber auch große Geduld gefragt. Die Arbeitszeiten haben es in sich. Es gibt zwar die 40 Stunden-Woche und einen Plan, der die Dienste einteilt, aber bis in die späten Abendstunden müssen die Vorstellungen betreut werden, die freilich meist auf das Wochenende und auf Feiertage fallen. Freie Tage außerhalb der Theaterferien sind da kaum denkbar. Familienfreundlich ist anders, vielleicht hat sich deshalb noch nicht eine Kollegin oder ein Kollege für die 4. Planstelle gefunden, die besetzt werden soll. Letztlich kommt man aber in eine große Theaterfamilie hinein und die drei Damen in der Nordhäuser Maske finden, es ist ein »geiler Job«.

Renate Liedtke

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